Berlin: Koalition will Unterschriftenprüfung verschärfen

SPD und CDU planen, die Überprüfung der Unterschriften bei Volks- und Bürgerbegehren zu verschärfen. Während bisher auch Unterschriften mit unleserlichen und unvollständigen Angaben anerkannt wurden, sofern die Person zweifelsfrei identifizierbar ist, soll dieser Spielraum zukünftig nicht mehr gelten. Dadurch werden unnötige Anforderungen an die Unterschriftenleistung gestellt und die Anzahl der ohnehin schon ungültigen Unterschriften deutlich steigen.

Von Oliver Wiedmann

Mit diesem Vorstoß soll die Unterschriftensammlung zukünftig missbrauchssicher ausgestaltet werden, so die zuständigen Abgeordneten in der Begründung ihres Antrags. Jedoch gibt es für massenhaften den Missbrauch bei der Unterschriftensammlung, auf den sich die Koalition beruft, keinerlei Anhaltspunkte. Dieser Vorwurf wurde im Rahmen der Überprüfung der Unterschriften des Volksbegehrens 100% THF von einigen Bezirksämtern erhoben, wurde jedoch von Innensenator Henkel wieder entkräftet. Somit verwundert es, warum die Koalition an der Verschärfung der Prüfungspraxis festhält.

Im Abstimmungsgesetz soll ausgerechnet der Zusatz gestrichen werden, der festlegt, dass eine Unterschrift auch dann als gültig gewertet werden darf, wenn einzelne Angaben fehlerhaft, unvollständig oder unleserlich sind, sofern die unterschreibende Person zweifelsfrei erkennbar ist. Nach dem Antrag, den CDU und SPD nächste Woche in erster Lesung ins Abgeordnetenhaus einbringen, wären unleserliche, unvollständige oder fehlerhafte Eintragungen automatisch ungültig. Dieser Rückschritt hinter die Reform von 2008 würde bedeuten, dass jeder Zahlendreher und jeder unleserliche Buchstabe eine Unterschrift ungültig macht, selbst wenn der Unterzeichner eindeutig identifizierbar ist. Das ist eine völlig überflüssige Zusatzhürde für direktdemokratische Initiativen. Zusätzlich dürften die Initiatoren auch nicht mehr einzelne Angaben wie z.B. eine fehlende Postleitzahl ergänzen, da alle Angaben zukünftig eigenhändig erfolgen müssten.

Mehr Demokratie schlägt vor, dass sowohl das Geburtsdatum als auch die Unterschrift zwingend vorhanden sein sollen. Somit wäre gewährleistet, dass Unterstützer nicht aus dem Telefonbuch abgeschrieben werden. Zwar macht eine Klärung der momentan widersprüchlichen Aussagen im Abstimmungsgesetz Sinn, aber den Verantwortlichen sollte bei der Unterschriftenprüfung genügend Spielraum bleiben, um eine Unterschrift für gültig zu erklären. Schließlich wird für Volks- und Bürgerbegehren auf der Straße bei Wind und Wetter unterschrieben – ein verwischter oder unleserlicher Buchstabe sei da nichts Ungewöhnliches und kein Grund, einen beträchtlichen Teil der Unterschriften nicht anzuerkennen. Schon jetzt ist die Ungültigenquote mit 18 Prozent sehr hoch. Eine zusätzliche Verschärfung der Prüfung würde die Anzahl der ungültigen Unterschriften noch deutlich erhöhen.

Sinnvoll dagegen ist die Klarstellung, dass Senat und Abgeordnetenhaus auch öffentliche Gelder verwenden dürfen, um sich in der Öffentlichkeit zu Volksinitiativen, Volksbegehren und -entscheiden zu positionieren. Schließlich sind sie von der Mehrheit gewählt worden. Sie haben ein Recht darauf, sich in den Abstimmungskampf einzumischen – wichtig ist aber, dass dabei mit Steuergeldern maßvoll umgegangen wird.

Unser Vorschlag: Klarstellung der Unterschriftenprüfung
bei Volksbegehren und Bürgerbegehren in Berlin





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