TTIP-Handelsgericht weder notwendig noch sinnvoll

 

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat einen neuen Vorschlag zu den umstrittenen Schiedsgerichte (ISDS) in TTIP und CETA vorgelegt. Aus unserer Sicht ist auch dieser Vorschlag nicht überzeugend, denn weiterhin bestände für Konzerne die Möglichkeit, demokratische Regulierungen und Gesetzgebung zu torpedieren. Die Realisierung eines internationalen Investitionsgerichts in TTIP ist ohnehin unwahrscheinlich und dient eher als Ablenkungsmanöver.

Von Charlie Rutz

Der ISDS-Reformvorschlag von Sigmar Gabriel sieht vor, dass Klagen von Konzernen gegen staatliche Entscheidungen ausschließlich von einem ständigen bilateralen internationalen Gericht entschieden werden sollen. Auch ist eine Berufungsmöglichkeit gegen die gefällten Urteile vorgesehen. Doch ein wesentlicher Kritikpunkt bleibt bestehen: Weiterhin wird die ordentliche Gerichtsbarkeit von Deutschland und den USA umgangen! Pia Eberhardt, Lobby-Expertin der NGO Corporate Europe Observatory, sieht viele weitere Probleme:

  1. Gabriel versucht mit diesem Vorschlag, den umstrittenen Investitionsschutz im TTIP (gemeint ist ISDS) zu retten, und zwar vor allem in seiner eigenen Partei, in der man sich zurecht fragt, warum die SPD so sehr für mehr Rechte für US-Konzerne eintritt, nicht aber z.B. für einklagbare Rechte für Arbeiternehmer/innen.

  2. Wesentliche Fragen und Kritikpunkte am Investitionsschutz bleiben von Gabriels Vorschlag unbeantwortet/ un-addressiert: An der Bevorzugung ausländischer Investoren rüttelt Gabriels Vorschlag nicht: nur ausländische Investoren – nicht inländische und auch nicht normale Bürger/innen – bekommen das exklusive Recht, Staaten vor einem internationalen Schiedsgericht zu verklagen, während allen anderen nur das "Ghetto" nationaler und europäischer Gerichte bleibt. Auch an der Einseitigkeit des Investorenschutzes wird nicht gerüttelt: Investoren bekommen nur Rechte, während ihnen keine Pflichten auferlegt werden; daher würden auch nur Investoren vor Gabriels Gericht klagen können, während Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen von Investoren vor diesem Gericht nicht angeprangert werden könnten. Warum brauchen wir überhaupt weitere Rechte für ausländische Investoren im TTIP? Es gibt einen starken Schutz von Privateigentum in Europa und es gibt Gerichte, die zu den unabhängigsten und effizientesten der Welt gehören. Es gibt daher überhaupt keine Rechtfertigung für irgendwelche Sonder-Rechte und Sondergerichte für ausländische Investoren. US-Investitionen in der EU in Höhe von 1,65 Billionen € machen das deutlich.

  3. Einige Vorschläge in Gabriels Reformvorschlag widersprechen sowohl dem CETA als auch dem EU-Singapur-Abkommen, die bereits fertig ausgehandelte Investitionsschutzkapitel enthalten (z.B. in der Frage des internationalen Gerichts anstelle von Schiedsrichter/innen, die von den Parteien ernannt werden). Wenn es Gabriel Ernst meint mit seinen Vorschlägen, muss Deutschland sowohl CETA als auch den EU-Singapur-Vertrag ablehnen oder auf substantielle Neuverhandlungen drängen - dazu ist aber bisher erstaunlich wenig zu hören. (Weitere Infos zum Thema hier...)


„Über ein internationales Investitionsgericht kann durchaus nachgedacht werden. Ein solches Gericht aber in einem bilateralen Vertrag wie TTIP zu verankern, ist weder sinnvoll noch realistisch. Die EU-Kommission unterstützt diesen Vorschlag daher auch nicht, sondern plädiert eher für eine langfristige Lösung“, erläutert Vorstandssprecher Dr. Michael Efler. (siehe auch: TTIP-Paralleljustiz: ISDS-Vorschlag von Malmström vertuscht Probleme).

Es wird also deutlich, dass die grundsätzliche Kritik am vorgesehenen Investorenschutz in TTIP und CETA bestehen bleibt. Neben ISDS kritisiert Mehr Demokratie weitere Inhalte der Handelsabkommen wie die Regulatorische Kooperation, die informell Regulierungen und Gesetze auch innerhalb der einzelnen EU-Mitgliedstaaten ohne formale Rechtsetzungskompetenz verändern und das Demokratiedefizit in der EU vergrößern würde.

Sehr gute Hintergrundinformationen bieten auch unser Info-Flyer:

Info-Flyer: Investor-Staat-Schlichtungsverfahren





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Info-Flyer: Regulatorische Kooperation





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