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Direkte Demokratie digitalisieren - Elektronische Eintragung bei direktdemokratischen Verfahren

Für die elektronische Eintragung bei direktdemokratischen Verfahren auf Landes- und Bezirksebene setzt sich Mehr Demokratie schon seit vielen Jahren ein. Zuletzt durch die Volksinitiative „Demokratie für alle“, mit welcher dem Abgeordnetenhaus über 25.000 Unterschriften für diese Forderung überreicht wurden. Jedoch hat sich das Berliner Parlament bisher nicht zu dieser Forderung positioniert.

Dabei geht es um die Möglichkeit für direktdemokratische Initiativen, im Rahmen von Einwohneranträgen, Bürgerbegehren, Volksbegehren und Volksinitiativen auch online Unterstützungsunterschriften sammeln zu können, als Ergänzung zu den händisch ausgefüllten Listen und Formularen. Dies birgt zahlreiche Vorteile auf Seiten aller Beteiligten und wäre eine zeitgemäße Weiterentwicklung der direkten Demokratie.

Auch der von Mehr Demokratie durch eine IFG-Anfrage veröffentlichte zweiteilige Ergebnisbericht der Senatsverwaltung für Inneres und Sport zum Projekt Digitale Direkte Demokratie (Pro3D) befürwortet die Modernisierung der Verfahren und spricht sich klar für die Möglichkeit der digitalen Eintragung aus.

Im ersten Teil des bereits 2020 erstellten Berichts wird dargestellt, wie die Online-Eintragung auf Landesebene konkret umgesetzt werden könnte. Die Träger sollen das Vorhaben im Vorfeld kostenlos bei den verfahrensbegleitenden Stellen anzeigen und relevante Informationen bereitstellen. Über eine Unbedenklichkeitserklärung sollen sie sich dazu verpflichten, keine rechtlich bedenklichen Inhalte an die Verwaltung zu übergeben. Werden sich Verwaltung und Träger über die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichungstexte nicht einig, entfällt der Anspruch auf elektronische Sammlung.

Mithilfe einer Weiterentwicklung der notwendigen technischen Verwaltungswerkzeuge sollen Unterstützungserklärungen künftig online gesammelt werden können. Die Authentifizierung soll durch den Einsatz der eID des Personalausweises erfolgen und direkt automatisiert geprüft werden können. Da diese Prüfung aktuell noch händisch geschieht, entstehen der Verwaltung einerseits hohe Kosten (bis zu 2 Euro pro Unterschrift), die durch die Online-Eintragung deutlich verringert werden könnten, vor allem durch den Wegfall der durch die händische Überprüfung entstehenden Personalkosten.

So heißt es in dem Bericht: „Die Ergebnisse der Voruntersuchung zeigen, dass die Einführung der Möglichkeit der Abgabe einer elektronischen Unterstützungs- oder Zustimmungserklärung bei den Instrumenten der direkten Demokratie (Volksinitiative, Volksbegehren, Einwohnerantrag, Bürgerbegehren) machbar und wirtschaftlich wäre. Ein sachgerechtes Verfahrensangebot wäre bei Umsetzung des entwickelten Vorgehenskonzeptes nicht nur eine zeitgemäße Verfahrensunterstützung im Sinne des E-Governments, sondern gleichzeitig mit vielfältigen Vorteilen für die verschiedenen Beteiligten verbunden.

Herauszuheben ist insbesondere die zu erwartende deutliche Entlastung der Ämter für Bürgerdienste aufgrund des voraussichtlich weitgehenden Wegfalls händischer Unterschriftenprüfungen wie auch die Möglichkeit zur Schaffung eines weiteren Anwendungsfalls für die Onlineausweisfunktion, der in Verbindung mit einer übersichtlichen und einfachen Erklärungsabgabe die diesbezügliche Technologieakzeptanz in der Breite der Bevölkerung nachhaltig befördern könnte." (Ergebnisbericht Teil 2, S. 26)

Durch die zentrale Information und verständliche sowie beständige Verfahrensorganisation würden die Verfahren aus unserer Sicht zudem nachvollziehbarer und barriereärmer werden. Diese könnten laut den Empfehlungen beispielsweise auf dem Informationsportal mein.Berlin.de veröffentlicht werden.

Die Verfahrensverantwortung läge zentral bei der Landesabstimmungsleitung, wo eine einheitliche Ergebnisfeststellung aller elektronischen und händischen Unterschriften über das weiterentwickelte IT-FV EWW (IT Fachverfahren Einwohnerwesen) durchgeführt wird. Durch die richtige Technik und die zentrale Stelle solle Bedenken bezüglich des Datenschutzes begegnet werden. Die Einrichtung eigenständiger elektronischer Sammlungssysteme durch die Trägerin oder beauftragte Dienstleister soll nicht zugelassen werden.

Neben der effektiven finanziellen und zeitlichen Entlastung der Verwaltung, die aktuell für die Prüfung zuständig sind, sind die notwendigen Änderungen zudem einfachgesetzlich sehr leicht durchsetzbar.

 

 

Zusammenfassung der Empfehlungen und Feststellungen aus dem Bericht Pro3D – Ergebnisbericht Teil 1 Anforderungen, Machbarkeit, Sollprozess:

 

Empfehlung (#1): Die Verwaltung stellt einer Trägerin oder den Vertrauenspersonen kurzfristig die technischen Möglichkeiten zur Abgabe einer elektronischen Unterstützungserklärung für ein Vorhaben der direkten Demokratie zur Verfügung.

Empfehlung (#2): Eine Deckelungsvorschrift bestimmt, dass Unterstützungserklärungen nur im Rahmen der gesetzlich geforderten Mindestunterstützung geprüft und ihre Gültigkeit bestätigt werden muss. Darüber hinausgehende ungeprüfte schriftliche Unterstützungserklärungen werden lediglich ausgezählt.

Empfehlung (#3): Eine Plausibilitätsprüfung (Alter, Wohnsitz, Staatsangehörigkeit) bei der elektronischen Erklärungsabgabe verhindert, dass nicht gültige Unterstützungserklärungen vom System angenommen und gespeichert werden.

Empfehlung (#4): Aus Gründen der Verfahrens- und Ergebnisakzeptanz ist ein ganzheitlich angelegtes Einführungsmanagement (Veränderungsmanagement) unter schlüssiger und verständlicher Darlegung der Prozesse erforderlich, das neben den Trägerinnen und den Vertrauenspersonen auch die Verwaltungsangehörigen und die potentiellen Unterstützungserklärenden einbezieht.

Empfehlung (#5): Bei der Verfahrensgestaltung ist besonderer Wert auf die Beständigkeit von etablier-ten Prozessen sowie auf Einfachheit und Sicherheit der Prozessgestaltung und des Technologieeinsatzes zu achten, damit die Verfahrenslösung für Außenstehende leicht nachvollziehbar und bedienbar ist sowie als manipulationssicher eingeschätzt werden kann.

Empfehlung (#6): Eine Trägerin bzw. die Vertrauenspersonen werden verpflichtet, ein Vorhaben im Vorfeld gegenüber der verfahrensbegleitenden Stelle anzuzeigen und notwendige Informationen bereitzustellen.

Empfehlung (#7): Die Einrichtung einer Möglichkeit zur Abgabe elektronischer Unterstützungserklärungen wird obligatorisch vorgesehen. Eine Einrichtungsgebühr wird nicht erhoben.

Empfehlung (#8): Die Trägerin bzw. die Vertrauenspersonen haben eine Unbedenklichkeitserklärung abzugeben, dass nach ihrer Kenntnis keine unzulässigen Inhalte in Bezug auf die verwaltungsseitig zu veröffentlichenden Texte gegeben sind.

Empfehlung (#9): Erfolgt keine Einigung zwischen Verwaltung und Trägerin hinsichtlich einwandfreier Veröffentlichungstexte muss als Ultima Ratio ein Anspruch gegenüber der Verwaltung auf Einrichtung eines elektronischen Sammlungsverfahrens entfallen.

Empfehlung (#10): Die elektronische Erklärungsabgabe wird einheitlich für alle Verfahren 10 Arbeitstage nach Vorliegen aller erforderlichen Verfahrensangaben bereitgestellt, soweit nicht aufgrund der Eigenart der Sammlungsart abweichende Fristen bestehen.

Feststellung (#11) Es ist festzuhalten, dass der Einsatz der eID als Authentifizierungsmittel notwendig und angemessen ist, damit sichergestellt wird, dass die Erklärenden tatsächlich die Person sind, für die die Erklärung abgegeben wird, aus Gründen der Akzeptanz in der Öffentlichkeit sowie zur einfachen, verlässlichen und richtigen automatisierten Gültigkeitsprüfung.

Feststellung (#12): Einer Berücksichtigung von OZG-Nutzerkonten anderer Bundesländer bedarf es derzeit nicht.

Feststellung (#13): Nationale Identitätsausweise anderer EU-Mitgliedstaaten werden im Rahmen des Basisdienstes eID im Zielsystem berücksichtigt.

Empfehlung (#14): Für die elektronische Erklärungsabgabe wird eine dauerhafte Dienstleistungsbeschreibung in der Dienstleistungsdatenbank mit einer Redaktionsverantwortung der Landesabstimmungsleiterin vorgesehen.

Feststellung (#15): Der Basisdienst digitaler Antrag kommt nicht zur Anwendung.

Empfehlung (#16) Für die Überprüfung der eID anlässlich der Erklärungsabgabe mittels Onlineformular wird der Basisdienst Elektronische Identität genutzt.

Feststellung (#17): Die Nutzung des Basisdienstes Service Konto Berlin ist nicht erforderlich.

Feststellung (#18): Die Aspekte der Barrierefreiheit sind bei allen Verfahrensentwicklungen zu beachten.

Empfehlung (#19): Die Einrichtung eigenständiger elektronischer Sammlungssysteme durch die Trägerin oder beauftragte Dienstleister wird nicht zugelassen.

Empfehlung (#20): Die Kommunikation zwischen Trägerin bzw. Vertrauenspersonen und Verwaltung findet weiterhin grundsätzlich mit der jeweils verfahrensbegleitenden Stelle statt. Für die elektronischen Erklärungssammlungen werden („dahinterstehend“) zentrale fachliche und technische Verfahrensverantwortungen vorgesehen.

Empfehlung (#21): Eine einheitliche zentrale fachliche Verfahrensverantwortung für elektronische Erklärungssammlungen ist bei der weisungsunabhängigen Landesabstimmungsleiterin anzusiedeln.

Empfehlung (#22): Fälle, in denen bislang keine abschließende Fristenregelung für abgegebene Unterstützungserklärungen besteht, werden dahingehend geregelt, dass eine maximale Sammlungsfrist von 1 Jahr und ein einheitlicher Gültigkeitszeitraum von 6 Monaten vorgesehen wird. Bei flexiblen Laufzeiten einer Sammlung werden fortlaufend Bereinigungsläufe vorgesehen, die ungültig werdende UE fortschreiben und mit dem Ver-merk „verfallen“ versehen. Bei doppelt geleisteten gültigen UE, ist jeweils die jüngste Erklärung bei der Zählung gültiger UE zu berücksichtigen. Nach Ablauf der Jahresfrist werden die Verfahren von Amtswegen geschlossen. Bis dahin abgegebene Unterstützungserklärungen können nicht für erneute Verfahren genutzt werden.

Empfehlung (#23): Am Ende der ersten Legislaturperiode mit dem Verfahrensangebot einer elektronischen Unterstützungserklärung ist zu betrachten und zu bewerten, ob Fehlentwicklungen beim Verfahrensaufkommen eingetreten sind, die eine Nachsteuerung im Wege der Anpassung von Quoren oder Fristen angezeigt erscheinen lassen.

Empfehlung (#24): Es erfolgt eine einheitliche Ergebnisfeststellung der vorliegenden elektronisch und händisch gültig geprüften Unterstützungserklärungen über das IT-FV EWW.

Empfehlung (#25): Eine Widerrufsmöglichkeit für eine einmal wirksam abgegebene Unterstützungserklärung wird nicht eröffnet.

Empfehlung (#26): Im Rahmen der Verfahrenseinführung wird keine Online-Auskunft zu abgegebenen Erklärungen vorgesehen.

Empfehlung (#27): Für die ergänzende automatisierte Gültigkeitsprüfung von eUE ist eine Weiterentwicklung des bestehenden IT-FV EWW vorzusehen.

Empfehlung (#28): Für die tägliche Statistikauswertung und Veröffentlichung ist eine Weiterentwicklung des bestehenden IT-FV EWW sowie eine Veröffentlichung im diesen vorgelagerten Inforegister vorzusehen.

Empfehlung (#29): Die Realisierung des Onlineformulars erfolgt über die herstellerbasierte Onlinefunktion des Inforegisters des IT-FV EWW.

Empfehlung (#30): Das Ob und Wie eines Verwaltungswerkzeugs für das Gesamtsystem ist in einem nächsten Arbeitsschritt zu klären.

Empfehlung (#31): Das Informationsangebot des landesweiten Beteiligungsportals mein.berlin.de wird über eine Schnittstelle fortlaufend mit den notwendigen Verfahrensinformationen ausgestattet.

Empfehlung (#32): Eine Open Data Lösung wird im Zuge der Entwicklung eines Verwaltungswerkzeugs für die Gesamtsystemlösung angestrebt.

Empfehlung (#33): Es sollte eine einheitliche Spendenanzeige für alle Ereignisarten vorgesehen werden. Die Veröffentlichung sollte künftig lediglich im Internetauftritt der LAL erfolgen und neben dem Namen der Person oder der Organisation und der Höhe der Geld- oder Sachspende lediglich die Postleitzahl und den Wohnort der Person bzw. den Sitzort der Organisation angeben. Die Spendenanzeigen sollten ein Jahr nach Verfahrensabschluss gelöscht werden.

Siehe Seite 60-63 des Berichts „Pro3D – Ergebnisbericht Teil 1 Anforderungen, Machbarkeit, Sollprozess“ [https://www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/2023/Ergebnisbericht_Modellprojekt_Online-Eintragung.pdf]

Kontakt:

Oliver Wiedmann

0163 191 42 07 / 030 420 823 71

Oliver.wiedmannkein spam@mehr-demokratie.de

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