Berliner mischen sich in die Politik ihrer Stadt ein

[6/07] Mehr Demokratie präsentiert den ersten Berliner Demokratiebericht

Innerhalb der vergangenen zwei Jahre haben die Bürgerinnen und Bürger Berlins insgesamt 17 Mal ein Bürgerbegehren in ihrem Bezirk initiiert. "Die Berlinerinnen und Berliner mischen sich immer häufiger ein, wenn es um politische Entscheidungen in ihren Bezirken geht", kommentiert Michael Efler, Mitglied des Berliner Landesvorstands der Initiative Mehr Demokratie diese Zahl. Und er hofft: "In Berlin kann sich mithilfe der direkten Demokratie nach und nach eine lebhafte Kultur der politischen Teilhabe entwickeln."

Vor genau zwei Jahren, am 17. Juli 2005 trat das Gesetz "Mehr Demokratie für Berlinerinnen und Berliner" in Kraft, mit dem unter anderem Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in den Berliner Bezirken eingeführt worden sind. Berlin besitzt seither in Deutschland die bürgerfreundlichsten Verfahren für direkte Demokratie auf kommunaler Ebene. Ein Jahr später, im September 2006, wurde die Berliner Volksgesetzgebung durch eine Verfassungsänderung reformiert. Seither ist es in Berlin einfacher geworden, Volksbegehren zu initiieren. Anlass genug für den Verein Mehr Demokratie, ein erstes Resümee zu ziehen.

Von den insgesamt 17 Bürgerbegehren wurden dreizehn (rund 75 Prozent) für zulässig erklärt, nur vier waren rechtlich unzulässig. Bei zwei Bürgerbegehren ("Für den Erhalt des Bethanien" in Friedrichshain-Kreuzberg und "Gegen Kürzungen bei der Jugendhilfe" in Spandau) gab es zwischen den Initiatoren und der jeweiligen Bezirksverordnetenversammlung einen Kompromiss, so dass ein Bürgerentscheid nicht mehr notwendig war. Auch das Bürgerbegehren "Gegen den Verkauf des Centre Bagatelle" in Reinickendorf konnte frühzeitig eingestellt werden, da der Bezirk den Forderungen der Initiative nachgab.

Drei Bürgerbegehren konnten die erforderliche Anzahl von Unterschriften erreichen, so dass es zu einem Bürgerentscheid kam bzw. kommen wird. Als erster Bürgerentscheid wurde - zeitgleich mit der Wahl zum Abgeordnetenhaus im September 2006 - in Lichtenberg über den Erhalt des Coppi-Gymnasiums abgestimmt. Die Mehrheit sprach sich für den Erhalt der Schule aus. Der bundesweit wohl bekannteste Berliner Bürgerentscheid der Initiative "Pro Kochstraße" in Friedrichshain-Kreuzberg scheiterte hingegen. Die Mehrheit sprach sich gegen die Beibehaltung des Straßennamens aus und damit für die Umbenennung in Rudi-Dutschke-Straße. Ein dritter Bürgerentscheid wird am 23. September 2007 in Charlottenburg stattfinden. Die dortige Initiative richtet sich gegen die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung.

Auf Landesebene wurden innerhalb der letzten zehn Monate - also seit der Volksabstimmung über eine vereinfachte Volksgesetzgebung in Berlin mit deutlich niedrigeren Hürden als zuvor - insgesamt sechs Volksbegehren gestartet. Vor der Verfassungsänderung gab es innerhalb der letzten elf Jahre nur neun Versuche, ein Volksbegehren in Berlin zu starten. Fünf davon scheiterten aufgrund zu weniger Unterschriften. Zwei waren unzulässig. Dem Volksbegehren "Neuwahlen jetzt!" kam das Abgeordnetenhaus zuvor, indem es sich selbst auflöste. Und bei dem Versuch "Längere Öffnungszeiten für Schankvorgärten" in Berlin zu erwirken, erzielten die Initiatoren einen Kompromiss mit dem Senat.

Das jetzige Volksbegehren "Für den Erhalt des Flughafens Tempelhof" hat schon die erste Stufe auf dem Weg zum Volksentscheid genommen. Der Fall ist allerdings auch ein Beispiel dafür, wie schwer sich die etablierte Politik noch mit den neuen Mitsprachemöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger tut. Ohne über das Für und Wider eines Weiterbetriebs des Flughafens zu diskutieren hat der Senat inzwischen Fakten geschaffen und die Flächen des Flughafens für den Flugverkehr entwidmet. "Es ist höchst bedenklich wie der rot-rote Berliner Senat hier mit dem Willen eines doch beachtlichen Teils der Bevölkerung umgeht", findet Efler. "Mit solch einem Verhalten werden alle Bemühungen untergraben, eine politische Kultur der demokratischen Mitsprache in Berlin zu etablieren."

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