Endlich: Reform der direkten Demokratie bringt Berlin voran

Leider hat sich die Koalition nicht an eine Änderung der Landesverfassung herangewagt, um die zentralen Baustellen der direkten Demokratie wie z.B. Abstimmungsthemen, Quoren oder die Verbindlichkeit anzugehen. Dennoch enthält die Reform viele Verbesserungen auf einfachgesetzlicher Ebene, die den Initiativen deutlich mehr Verfahrenssicherheit geben werden und die Verwaltung entlasten.

Hier eine Auflistung und Bewertung der wesentlichen Änderungen (rot=schlechte Regelung, gelb=neutral, grün=gute Regelung):

Volksinitiative
 

Die eingereichten Unterschriften werden nicht mehr vollständig auf Gültigkeit geprüft, sondern lediglich bis zur Erreichung des Quorums. Jedes Bezirksamt prüft, bis 1.800 gültige Unterschriften vorliegen.

Volksbegehrensantrag
 

Der Maßstab für die rechtliche Prüfung von Volksbegehrensanträgen wird erweitert auf EU-Recht.

Der Verwaltung wird eine Frist von 2 Monaten für die Kostenschätzung gesetzt. Bei nachträglicher Änderungen der Vorlage durch die Initiatoren kann die Frist um einen Monat verlängert werden.

Die eingereichten Unterschriften werden nicht mehr vollständig auf Gültigkeit geprüft, sondern lediglich bis zur Erreichung des Quorums. Jedes Bezirksamt prüft solange, bis 1.800 (bzw. 4.500 bei angestrebten Verfassungsänderungen) gültige Unterschriften vorliegen.

Der Verwaltung wird eine Frist von 5 Monaten für die Zulässigkeitsprüfung gesetzt. Die Trägerin bekommt weitgehende Planungssicherheit, was den zeitlichen Ablauf des Volksbegehrens angeht. Prüfen die Senatsverwaltungen schneller als die vorgegeben 5 Monate, so verlängert sich der Beginn der Eintragungsfrist für das Volksbegehren um die entsprechende Differenz.

Die Trägerin kann während der Zulässigkeitsprüfung in größerem Umfang inhaltliche Änderungen vornehmen und Mängel beseitigen, als dies bisher möglich war. Grundcharakter und Zielsetzung dürfen dabei nicht verändert werden. Werden mehr als nur redaktionelle Änderungen vorgenommen, verlängert sich die Prüfungsfrist um 2 Monate.

Die Trägerin wird nach Feststellung der Zulässigkeit im zuständigen Ausschuss des Abgeordnetenhauses angehört.

Volksbegehren
 

Die eingereichten Unterschriften werden in den Bezirksämtern nicht mehr vollständig auf Gültigkeit geprüft, sondern bis jeweils 9 Prozent der erforderlichen gültigen Unterschriften vorliegen. Die restlichen ungeprüften Unterschriften werden gezählt.

Volksentscheid

Der Volksentscheid wird mit einer Wahl oder einem anderen Volksentscheid zusammengelegt, sofern dieser Termin in einem zeitlichen Korridor von 5 bis 8 Monaten nach Zustandekommen (Veröffentlichung des Ergebnisses) des Volksbegehrens liegt. Der Senat kann mit Zustimmung der Trägerin einen losgelösten Termin festsetzen. Kritik: Der Senat kann anstelle eines Wahltermins zwei Volksentscheide zusammenlegen.

In der amtlichen Mitteilung bleibt die Gegenüberstellung der Auffassung der Trägerin auf der einen Seite und der des Senats/Abgeordnetenhauses auf der nächsten Seite bestehen. Ein Wendeheft wie in Hamburg wäre hier die bessere Alternative.

Die Landesabstimmungsleitung veröffentlicht das Abstimmungsverfahren in leicht verständlicher Sprache. Die Trägerin sowie Senat/Abgeordnetenhaus können ihre Positionen auch entsprechend veröffentlichen.

Die Trägerin muss spätestens vier Wochen vor Durchführung des Volksentscheids der Senatsverwaltung die Gesamtausgaben und -einnahmen vorlegen. Kritik: Abzuwarten bleibt, wie detailliert die Angaben sein müssen. Initiativen dürfen hier nicht überfordert werden.

Die Transparenzvorschriften werden auf eigene Geld- und Sachmittel ausgeweitet. Die Anforderungen an die Darlegung der Eigenmittel sollen dabei in einem angemessenen Verhältnis zu den Dokumentationsmöglichkeiten der Trägerin stehen. Kritik: Es ist unklar, was genau hier veröffentlichungspflichtig ist. Initiativen dürfen hier nicht überfordert werden.

Es wird eine öffentliche Erstattung nachgewiesener Kosten in Höhe von je 35.000 Euro nach Volksbegehren und Volksentscheid eingeführt. Die Erstattung gilt für Kosten zum Betreiben des Volksbegehrens sowie für angemessene Öffentlichkeitsarbeit. Nicht erstattungsfähig sind Kosten in Verbindung mit der Organisation der Trägerin und Personalkosten. Kritik: Unklar ist, wer definiert, was unter angemessener Öffentlichkeitsarbeit zu verstehen ist. Auch der Ausschluss von Kosten in Verbindung mit der Organisation der Trägerin wird zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen.

Bürgerbegehren

Laufende Bürgerbegehren können nicht mehr so einfach vom Senat ausgehebelt werden:  Nach Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens setzt nach Ablauf eines Monats eine Sperrwirkung für Eingriffsrechte sowie den Entzug der bezirklichen Zuständigkeit nach AZG und AGBauGB ein. Die Sperrwirkung entfällt bei wesentlichen Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen.

Klarstellung: Die Trägerin kann auf der Unterschriftenliste der amtlichen Kostenschätzung eine eigene Kostenschätzung bzw. eine Entgegnung voranstellen. 

Über ein zustande gekommenes Bürgerbegehren hat die BVV umgehend zu beraten. Die Vertrauenspersonen bekommen ein Recht auf Anhörung in zuständigen Ausschüssen.

Ist das Bürgerbegehren nicht zustande gekommen, liegen aber mindestens 1.000 gültige Unterschriften vor, so wird das Bürgerbegehren wie ein Einwohnerantrag behandelt.

Bürgerentscheid

Der Bürgerentscheid wird mit einer Wahl oder einem anderen Bürgerentscheid zusammengelegt, sofern dieser Termin in einem zeitlichen Korridor von 3 bis 8 Monaten nach Zustandekommen (Veröffentlichung des Ergebnisses) des Bürgerbegehrens liegt. Das Bezirksamt kann mit Zustimmung der Trägerin einen losgelösten Termin festsetzen.

Ist das Bürgerbegehren nicht zustande gekommen, liegen aber mindestens 1.000 gültige Unterschriften vor, so wird das Bürgerbegehren wie ein Einwohnerantrag behandelt.

Die Trägerin muss spätestens vier Wochen vor Durchführung Bürgerentscheids dem Bezirksamt die Gesamtausgaben und -einnahmen vorlegen. Kritik: Abzuwarten bleibt, wie detailliert die Angaben sein müssen. Initiativen dürfen hier nicht überfordert werden.

Die Transparenzvorschriften werden auf eigene Geld- und Sachmittel ausgeweitet. Die Anforderungen an die Darlegung der Eigenmittel sollen dabei in einem angemessenen Verhältnis zu den Dokumentationsmöglichkeiten der Trägerin stehen. Kritik: Es ist unklar, was genau hier veröffentlichungspflichtig ist. Initiativen dürfen hier nicht überfordert werden.