Die Hintergründe

Unser Aufruf besteht aus folgenden vier Grundbausteinen für eine stärkere Demokratie in Brandenburg:

  • Beteiligung

    Die Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner in den Kommunen ist ein wesentlicher Baustein für lokale Demokratie. Lokale Demokratie ist das Fundament für eine starke Demokratie im Flächenland Brandenburg.

    Zur Stärkung der lokalen Demokratie müssen die Instrumente strukturierter Beteiligung ausgebaut werden. Dazu müssen Kommunen und Zivilgesellschaft finanziell, strukturell und inhaltlich vom Land unterstützt werden:

     

    1. Eine landesweite Kompetenz- und Servicestelle für Beteiligung, an die sich die Kommunen und Zivilgesellschaft wenden können, muss aufgebaut werden. Ein erfolgreiches Beispiel für eine solche Struktur ist das Kompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg (https://www.jugendbeteiligung-brandenburg.de/).

    2.    Ein Förderprogramm für Projekte und Strukturen der Beteiligung aus kommunaler und zivilgesellschaftlicher Hand muss ausgelobt werden. Ein erfolgreiches Vorbild dafür ist die Förderrichtlinie Bürgerbeteiligung aus Sachsen.

    3.    Unterstützend müssen hilfreiche Regelungen gesetzlich verankert werden. Zum Beispiel:

    a.    Eine einfache Möglichkeit für losbasierte Verfahren, zufällig aus den Einwohnermelderegistern zu ziehen. Gutes Beispiel dafür ist das baden-württembergische Gesetz über die Dialogische Bürgerbeteiligung.

    b.    Eine niedrigschwelligere Regelungen von Einwohnerversammlungen und -anträgen in der Kommunalverfassung. Für diese unverbindlichen Möglichkeiten der Einwohnerinnen und Einwohner sich in Kommunalpolitik einzubringen, ist ein Quorum von 5% deutlich zu hoch. 

    4.    Es müssen mehr Mittel bereitgestellt werden, um Barrieren abzubauen, die Menschen an einer Beteiligung hindern. Dabei geht es um Aufwandsentschädigungen, Freistellungen und Barriereabbau (zum Beispiel über Bildungsurlaube, Betreuungsangebote) und insbesondere auch um die Unterstützung für Menschen mit Behinderung.

     

    Auf Landesebene bietet die Landesbeteiligungsstrategie einen wichtigen Ansatzpunkt. Sie muss unter Einbeziehung kommunaler und zivilgesellschaftlicher Akteure geprüft und um unterschiedliche Beteiligungsangebote erweitert werden:

    1.    aufsuchende Formate und losbasierte Bürgerräte,

    2.    die Förderung partizipativer Budgets („Bürgerbudgets“) auf kommunaler und Landesebene,

    3.    die Erweiterung der Vor-Ort-Beteiligung durch die Ministerpräsidentin oder den Ministerpräsidenten und die Ministerien,

    4.    die erweiterte Nutzung des digitalen Gesetzgebungsportals, um Gesetzentwürfe auch diskutieren zu können. Die Ministerien müssen mit ausreichend Ressourcen ausgestattet werden, um diese Diskussionen zu begleiten.

  • Direkte Demokratie

    Die Regelungen für verbindliche Mitbestimmung gehören auf den Prüfstand. Verlaufen direktdemokratische Verfahren im Sande, weil landesweite Volksinitiativen und kommunale Bürgerbegehren schlecht geregelt sind, führt dies zu mehr Frust und weniger Vertrauen in die Demokratie. 

    So ist Brandenburg eines der wenigen Bundesländer, in dem die Bürgerinnen und Bürger nicht über die Aufstellung von Bebauungs- und Flächennutzungsplänen abstimmen dürfen. Das ist aber ein Thema, das den Menschen regelmäßig auf den Nägeln brennt. Auch gehört Brandenburg zu den zwei verbleibenden Ländern bundesweit, in denen Kommunalvertretungen nicht selbst Bürgerentscheide zu wichtigen Themen ansetzen können (sogenannte Ratsreferenden). Diese Einschränkungen führen insgesamt zu einer sehr geringen Praxis in den Städten, Gemeinden und Landkreisen.

    Brandenburg ist das einzige ostdeutsche Bundesland, in dem die Menschen Volksbegehren nicht auf der Straße unterschreiben dürfen. Das ist absurd, denn der Austausch im öffentlichen Raum ist gerade die Idee der direkten Demokratie. Die Volksinitiative zur Artenvielfalt hat eine weitere Schwachstelle offenbart: Bisher muss der Landtag nicht begründen, warum er eine Volksinitiative für unzulässig erklärt. Das muss sich ändern. Außerdem darf das Verbot der Kopplung von Themen nicht Volksinitiativen ausschließen, die komplexe Antworten auf komplexe Probleme geben und deswegen Änderungen verschiedener Gesetze umfassen.

    Eine weitere große Einschränkung ist, dass Volksinitiativen sich nicht substanziell auf den Landeshaushalt auswirken dürfen. Bürgerinnen und Bürger können nicht mitgestalten, wenn sie kein Geld ausgeben dürfen. Insgesamt entsteht so der Eindruck, man wolle es den Menschen so schwer wie möglich machen - eine Steilvorlage für Populismus. Das muss sich ändern.

    Eine detaillierte Übersicht, wo konkret im Bereich der direkten Demokratie Reformpotentiale liegen, bietet das Volksentscheidsranking von Mehr Demokratie: https://www.mehrdemokratie.de/mehr-wissen/volksbegehren-in-den-laendern/volksentscheidsranking-2021

  • Transparenz

    Mündige Bürgerinnen und Bürger müssen sich ungehindert informieren können. Das erkannte Brandenburg schon früh: Durch ein Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) wurden 1998 Landtage, kommunale Verwaltungen und Landesbehörden zur Abkehr vom bis dato geltenden Amtsgeheimnis verpflichtet. Bürgerinnen und Bürger können wichtige Informationen von Politik und Verwaltung beantragen. Doch seit 2013 herrscht Stillstand in der Informationsfreiheit in Brandenburg. Das darf nicht so bleiben.

    Durch das Prinzip der Open-Data werden die mit Steuermitteln erzeugten Daten der Verwaltung öffentlich und damit zu einem Gemeingut und Wettbewerbsvorteil. Das in der Open-Data-Strategie genannte eigenständige Open-Data-Gesetz soll schnellstmöglich Realität werden. Transparenz nicht nur im Bereich der Daten erleichtert Korruptionsbekämpfung und Kontrolle und stärkt damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Politik und Verwaltung. Nur wer von einem Vorgang weiß, kann sich aktiv in politische Prozesse einbringen. Transparenz fördert Meinungsbildung und politische Teilhabe und stellt damit ein wirksames Mittel gegen Polarisierung, Politikverdruss und Fake News dar. Und dem Staat selbst bringt Transparenz ebenfalls Vorteile: Bevor die Verwaltung ihre Informationen öffentlich zur Verfügung stellt, muss sie die Daten aufbereiten. Das verschafft auch behördenintern einen besseren Überblick. Die Informationen zwischen verschiedenen Behörden fließen leichter, wenn die Daten frei zugänglich sind. Die Einführung eines Transparenzgesetzes muss für die Demokratieförderung und den Dialog auf Augenhöhe mit den Brandenburgerinnen und Brandenburger oberste Priorität haben. Kern eines solchen Transparenzgesetzes sind die Schaffung eines Transparenzportals, die Reduzierung von Ausnahmen und die Ausweitung informationspflichtiger Stellen.

    Eine detaillierte Übersicht, wo konkret im Bereich der Informationsfreiheit Reformpotentiale liegen, bietet das Transparenzranking von Mehr Demokratie und der Open Knowledge Foundation: https://transparenzranking.de/laender/brandenburg/

  • Demokratiefördergesetz

    Die Gestaltung und Förderung der Demokratie sind nicht allein staatliche Aufgaben, sondern gemeinsame Anliegen des Staates und einer demokratischen Zivilgesellschaft, in der engagierte Bürgerinnen und Bürger aktiv sind.

    Zur Förderung und Absicherung dieser Demokratiearbeit braucht es ein eigenes Landesdemokratiefördergesetz, das die bestehenden Angebote langfristig sichert, den Ansatz proaktiver Demokratiearbeit beinhaltet und mit einem Bundes-Demokratiefördergesetz wirksam verbunden werden kann.

    Der Ansatz, im Sinne proaktiver Demokratiearbeit präventiv wirksam zu werden, ist bereits im Konzept der Landesregierung „Unser Brandenburg: starke Demokratie, starker Zusammenhalt“ angelegt und kann mit einem Demokratiefördergesetz weiter konkretisiert werden:

    1.    Schaffung rechtlicher Grundlagen für die längerfristige und zuverlässige Förderung von zivilgesellschaftlichen Organisationen und zivilgesellschaftlichem Engagement zur Stärkung demokratischer Prozesse im Land Brandenburg. Bewährte Strukturen und positiv evaluierte Projekte müssen über die bisher zeitlich begrenzten Programm- und Projektlaufzeiten hinaus gesichert werden.

    2.    Aufbau der proaktiven Demokratiearbeit als weiteren Schwerpunkt der Demokratieförderpolitik neben der Beratungsarbeit. Damit soll ein Ansatz verankert werden, der die positiven Seiten der liberalen Demokratie durch Vermittlung von Demokratiekompetenzen und politischer Bildung aufzeigt und erfahrbar macht.

    3.    Zur Stärkung proaktiver Demokratiearbeit sind zusätzliche Mittel bereitzustellen. Das Programm „Tolerantes Brandenburg“ oder auch andere betroffene oder neu zu schaffende Programme sind aufzustocken. Ebenso wären Mittel in anderen demokratierelevanten Bereichen wie der Kinder- und Jugendarbeit, Erwachsenenbildung, Sozialen Arbeit und Armutsbekämpfung aufzustocken.

    4.    Schaffung übersichtlicher Förderstrukturen, die eine Gesamtschau auf die verschiedenen Bereiche ermöglichen. In Brandenburg wird Demokratieförderung von verschiedenen Ministerien und Programmen betrieben. Damit diese allen Interessierten offenstehen, braucht es eine transparente Übersicht mit Angaben über Verwendungen und Mittel.

    5.    Erarbeitung eines übergreifenden Handlungsprogramms, das die jeweiligen Schwerpunkte von „Tolerantes Brandenburg“, das Konzept „Unser Brandenburg: starke Demokratie, starker Zusammenhalt“ und andere Programme und Strukturen wie „Demokratie leben!“ und die daraus geförderten Partnerschaften für Demokratie zu einem wirksamen Gesamtkonzept zusammenfügt.


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