"Manche sprechen sogar schon von demonstrierter Arroganz der Macht"

Mehr Demokratie spricht mit Michael Wimmer vom Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg über das anstehende Volksbegehren gegen Massentierhaltung, die widersprüchliche Haltung der Koalition und die Ausgestaltung direkter Demokratie in Brandenburg.

Interview: Oliver Wiedmann

 

Herr Wimmer, Sie sind Sprecher des Aktionsbündnisses Berlin-Brandenburg, welches die Volksinitiative "Stoppt Massentierhaltung!" trägt, die nun ins Volksbegehren gehen wird. Was wollen Sie erreichen und wann soll es losgehen?

Natürlich wollen wir erreichen, dass unsere Forderungen umgesetzt werden. Also im Wesentlichen: Mit öffentlichem Geld sollen nur noch Tierhaltungsanlagen gefördert werden, die das Attribut artgerecht verdienen, das Abschneiden von Schnäbeln und von Schweineschwänzen soll spätestens 2018 verboten werden. Auch und gerade die Einführung eines Verbandsklagerechtes halten wir für dringend geboten, damit die Einhaltung von Recht und Gesetzt auch gerichtlich überprüft werden kann. Richtig losgehen wird es frühestens Mitte Juli – ab dann haben wir genau 6 Monate Zeit.  

Wer unterstützt Ihre Ziele und wer teilt diese nicht?

Wir erfreuen uns einer sehr breiten Unterstützung, die weit über unser Bündnis aus über 45 Organisationen hinausgeht. Besonders spannend aber ist die Frage, wie sich die Linkspartei verhält: Auf der einen Seite gibt es einen Vorstandsbeschluss, der unsere Ziele unterstützt, in der Koalition haben sie sich dann aber dem größeren Koalitionspartner SPD beugen müssen. Und obgleich uns alle politischen Parteien wegen unseres Engagements gelobt haben: Die Hauptadresse geht an die SPD, deren agrarpolitischer Sprecher zufällig der Präsident des Brandenburger Bauernverbandes ist. 

Sie haben die erste Stufe des Volksbegehrens, die Volksinitiative erfolgreich hinter sich gebracht. Diese wurde jedoch vom Landtag zurückgewiesen? Welches Problem hat die Koalition mit Ihrem Vorschlag?

Naja, die Art und Weise der Zurückweisung legt fast schon den Schluss nahe, dass sich die SPD keine Blöße geben wollte, manche sprechen auch von demonstrierter Arroganz der Macht. Die Linke hat ja via Pressemitteilung erklärt, dass es an ihnen nicht gelegen hätte. Im Kern aber wird noch nicht erkannt, dass sich unsere Forderungen nicht gegen die Landwirte selbst richten, sondern gegen ein zunehmend agrarindustrielles System, in dem der Landwirt zum willenlosen Zahnrädchen degradiert wird.  

Es gab auch in Ihrem Bündnis Beratungsbedarf, ob Sie ins Volksbegehren gehen werden? Welche Fragen haben dabei eine Rolle gespielt? Welcher Punkt hat den Ausschlag gegeben?

Ganz einfach: So ein Volksbegehren organisiert sich nicht im Vorbeigehen, das erfordert von uns allen extrem viel Einsatz und auch Geld, das wir nicht haben und deswegen erst organisieren müssen. Zum anderen hat man in Brandenburg bereits ausreichend schlechte Erfahrungen mit gescheiterten Volksbegehren gemacht, da überlegt man sich das gerne doppelt und dreifach. Den Ausschlag hat aber die Zuversicht gegeben, dass wir das gewinnen können, aber auch der Ansporn, dass wir die begonnene Diskussion mit Politik und Berufsstand zu Ende führen müssen. Wir müssen es schaffen, die Wagenburgmentalität des Bauernverbandes aufzubrechen und der Politik klarmachen, dass der  Markt allein es nicht schafft, sondern dass hier der Politik Verantwortung zukommt.

In Brandenburg hat es noch nie einen Volksentscheid gegeben. Nur ein Volksbegehren, nämlich das zum Nachtflugverbot, konnte die erforderlichen 80.000 Eintragungen erreichen. Was stimmt Sie optimistisch, dass Sie diese Hürde nehmen werden?

Das Thema Tierwohl berührt praktisch jeden, auch spüren wir den Rückenwind der medialen Berichterstattung. Auch hat die gesamte bisherige Diskussion gezeigt, dass wir die besseren Argumente auf unserer Seite haben. Eine völlig überaschende und für unsere Argumentation unschätzbare Unterstützung ist das aktuelle Gutachten der sogenannten 14 Agrarweisen der Bundesregierung zur Agrarpolitik in der Tierhaltung. Das Gutachten sagt klipp und klar, dass die derzeitige Tierhaltung nicht mehr zukunftsfähig sei und kommt zu Schlussfolgerungen, die sehr nach unseren Forderungen klingen. . . Organisatorisch setzen wir auf dezentrale Verantwortlichkeiten und die Möglichkeit, über eine zentral programmierte Homepage möglichst viele Menschen für die bequeme Briefwahl zu gewinnen.

Die geringe Erfolgsquote in Brandenburg hat aus Sicht von Mehr Demokratie vor allem mit den hohen Verfahrenshürden zu tun. Was sollte aus Ihrer Sicht an Verfahrensregelungen geändert werden?

Die aber auch schon verbessert wurden, Stichwort Verlängerung der Eintragungszeit auf 6 Monate und die Möglichkeit der Briefwahl. Wünschenswert wäre aber trotzdem, wenn die Unterschriften auf der Straße gesammelt werden könnten.


Zur Person: Michael Wimmer, Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) und einer der beiden Sprecher des Aktionsbündnisses Berlin-Brandenburg

Weitere Informationen:

www.agrarwen.de

www.Facebook.com/agrarwende

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