Berlin: Direkte Demokratie etabliert sich

[39/08] Zweiter Berliner Demokratiebericht / Mehr Demokratie fordert weitere Reformen

 

Volks- und Bürgerbegehren sind zu einem festen Bestandteil in der politischen Landschaft Berlins geworden. Das ergab der vom Verein Mehr Demokratie erstellte Zweite Berliner Demokratiebericht, der einen Überblick über sämtliche Verfahren liefert: Bisher gab es insgesamt 24 Bürgerbegehren auf Bezirksebene sowie 22 Volksbegehren und zwei Volksinitiativen auf Landesebene.

 

"Direkt nach der Einführung von Bürgerbegehren 2005 und der Erleichterung von Volksbegehren 2006 war eine regelrechte Euphorie zu spüren", erläutert Michael Efler, Vorstandsmitglied des Vereins Mehr Demokratie. So wurden 2006 auf Bezirksebene zwölf Bürgerbegehren und 2007 auf Landesebene acht Volksbegehren gestartet. "Die von der Politik nicht vertretenen Anliegen der Bürger hatten sich quasi aufgestaut", sagt Efler.

 

Die Zahlen für 2008 sind mit vier neu eingeleiteten Volks- und eben so vielen Bürgerbegehren zwar niedriger. Zugleich werden die Initiativen nach Einschätzung von Mehr Demokratie aber ausdauernder in der Unterschriftensammlung und Erfolg versprechender. Derzeit haben in Berlin vier Volksbegehren die Antrags-Sammlung von 20.000 Unterschriften erfolgreich hinter sich gebracht und stehen vor der zweiten Stufe. Das Volksbegehren "Pro Reli" hat die Sammlung der dafür nötigen 170.000 Unterschriften bereits gestartet.

 

"Der Blick auf die Landesebene zeigt zugleich die Probleme, vor denen die noch junge direkte Demokratie in Berlin steht", erklärt Efler. "Mit dem Kita-Volksbegehren, dem Wasser-Volksbegehren und Mehr Demokratie beim Wählen hat der Senat gleich drei der laufenden Volksbegehren ganz oder teilweise für unzulässig erklärt." Da die Frage, ob ein Volksbegehren tatsächlich gegen die Berliner Verfassung verstößt, nur im Einzelfall geklärt werden kann, ziehen entsprechende Senatsentscheidungen oft mühsame Gerichtsverfahren nach sich.

 

Auch auf Bezirksebene wird die direkte Demokratie rege genutzt, an der tatsächlichen Umsetzung der Anliegen hapert es aber noch. "Das große Problem bei Bürgerbegehren ist die Verbindlichkeit", erklärt Efler. "Bürgerbegehren haben die gleiche Rechtswirkung wie Beschlüsse der Bezirksverordnetenversammlungen." Deren Kompetenzen aber sind beschränkt, sowohl, was die Themen als auch, was das Gewicht der Entscheidung angeht. Viele Bürgerentscheide haben daher empfehlenden oder ersuchenden Charakter und sind auf die Akzeptanz durch die jeweiligen Bezirksämter angewiesen. "Wie unterschiedlich fair das gehandhabt wird, zeigen zwei Bürgerbegehren gegen die Parkraumbewirtschaftung", erläutert Efler. "In Charlottenburg-Wilmersdorf hat sich die BVV vorbildlich verhalten und das Votum von 90 Prozent der Abstimmenden gegen neue Parkautomaten akzeptiert. In Mitte dagegen wurden neue Parkautomaten ungeachtet des laufenden Begehrens in Betrieb genommen."

 

Neben einer neuen politischen Kultur will Mehr Demokratie vor allem den weiteren Ausbau der Mitbestimmungsrechte erreichen. Eine Reformdebatte auf Bezirksebene laufe bereits an, sagt Efler. "Zum 1. Januar 2010 wird das Bezirksverwaltungsgesetz evaluiert, dabei geht es vor allem um die Instrumente der partizipativen und direkten Demokratie." Mehr Demokratie werde sich in diesen Prozess einbringen und auch auf Landesebene für den weiteren Ausbau der direkten Demokratie eintreten.

 

Zweiter Berliner Demokratiebericht als PDF:

bb.mehr-demokratie.de/bb_wissen.html

 

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